Bitte anschnallen! – Wie man ein magisches Schiff (nicht) steuert
Als Bartholomäus Federstein sein frisch erworbenes, fliegendes Segelschiff startete, rechnete er mit einem gemütlichen Segelausflug – hätte er doch nur die Gebrauchsanweisung gelesen.
Es war ein herrlich klarer Tag über Rabenfels – und jeder vernünftige Bürger wusste, dass das nichts Gutes bedeutete. Denn in Rabenfels gab es eine Regel: Sobald das Wetter zu gut war, passierte etwas Schreckliches. Und dieses Mal hieß das Schreckliche Bartholomäus „Bart“ Federstein, frischgebackener Besitzer eines Aetherwind Mk. VII. Seines Zeichens Schiffskapitän – zumindest wenn man den Begriff „Schiff“ sehr weit dehnte und „Kapitän“ in diesem Fall „eine Person, die ungefähr weiß, wie man ein Ruder hält“ bedeutete.
Bart hatte es irgendwie geschafft, ein fliegendes Segelschiff zu erwerben. „Aetherwind Mk. VII“, murmelte Bart, während er die Gebrauchsanweisung halbherzig durchblätterte. „So schwer kann das ja nicht sein. Ein paar Segel hissen, ein bisschen zaubern – was soll da schon schief gehen?“
Der erfahrene Leser könnte an dieser Stelle anmerken: So ziemlich alles.
Er überflog die erste Seite ‚Aufstellen des Schiffes‘ und murmelte: „Fünfzig Meter Freiraum benötigt... ach naja, die Lichtung hier ist mindestens...,“ er sah sich schätzend um, „äh, fast zehn Meter breit. Das sollte ja wohl locker reichen.“ Er versuchte die Anleitung weiter zu lesen, aber da standen viel zu viele komplizierte Worte wie ‚Magieströme‘ und ‚Vermeidung von interdimensionalen Zwischenfällen‘. Bestimmt nur bürokratischer Kram, dachte er, wie diese Gesundheitswarnungen auf Heiltränken, die vor ‚unerwünschten Nebeneffekten‘ warnen. Also übersprang er das einfach. Zeit war schließlich Geld, und Bart hatte von beidem viel zu wenig.
„Aktivierung der Levitation... ja, das klingt schon besser!“ Bart drückte wahllos auf ein paar Knöpfe, und irgendwie entfaltete sich das Schiff auch. Es sah majestätisch aus, wie ein Segelschiff, das jedoch bedrohlich in die nächstgelegenen Bäume rutschte. Also sprang Bart an Bord, drehte das Steuerrad nach links, während er gleichzeitig auf den ‚magischen Schalter‘ drückte. Die Luftsegel schnappten auf wie der Schnabel eines riesigen, unsichtbaren Vogels, und Bart hätte schwören können, dass das Schiff ein triumphales „Flapp!“ von sich gab, das wahrscheinlich irgendwo in einem mystischen Handbuch als „äußerst beunruhigendes Geräusch“ beschrieben worden wäre.
„Das ist ja kinderleicht!“, verkündete Bart. Ermutigt von seinem Erfolg schob er die Anleitung demonstrativ zur Seite und drückte blindlings an ein paar Knöpfen herum.
Plötzlich begann das Schiff zu schweben und Bart fühlte sich für einen kurzen, herrlichen Moment wie ein richtiger Kapitän. Doch bevor er seine Fantasien weiter ausschmücken konnte – in denen er natürlich gegen Himmelspiraten kämpfte und die Herzen attraktiver Besatzungsmitglieder gewann – fing das Schiff an, sich langsam aber sicher nach links zu neigen.
„Na schön, das gehört bestimmt dazu,“ murmelte er zu sich selbst und klammerte sich ans Steuerrad. Ein bisschen Spannung ist doch gut für die Nerven. Doch während das Schiff an Höhe gewann, neigte es sich weiter, bis es schlussendlich in einem Winkel von fast 45 Grad durch die Wolken zog. Bart hing inzwischen mehr am Steuerrad, als dass er es kontrollierte, und die Runen auf dem Rumpf begannen, in einem grellen Orange zu blinken.
„Himmel, irgendwo war doch diese Anleitung!“ Bart griff hektisch nach dem Heft, das der Wind ihm fast aus den Händen riss. Er verhedderte sich im Steuerrad, das nun wie ein Klettergerüst wirkte. Mit einem Bein irgendwie auf dem Podest balancierend und dem anderen in der Luft, versuchte er, die Seiten des Handbuchs umzublättern, während sein Körper in einer denkbar ungünstigen Position verharrte. Das Heft flappte im Wind hin und her, und er musste es mit den Zähnen festhalten, während er versuchte, mit einer Hand die richtigen Seiten zu finden.
„Schwebe... Zustand... blaue Runen, Stabilitätsrunen... gelb! GELB!?“ Er schielte nach unten. Die Runen waren definitiv nicht gelb, sondern leuchteten in einem grellen Orange. „Äh... das ist wohl nicht gut,“ murmelte er, während das Schiff plötzlich eine unerwartete, sehr abrupte Rechtskurve hinlegte und ihn direkt gegen den Mast schleuderte.
Gerade als Bart sich wieder aufgerappelt und nach dem Steuerrad gegriffen hatte, schoss das Schiff abrupt wie ein Fahrstuhl in die Höhe. Er verlor das Gleichgewicht, stürzte hart auf das Deck und rollte über den Boden, während das Schiff eine wilde Kurve flog, als hätte es beschlossen, einen Hindernisparcours zu absolvieren. Die Härte des Aufpralls raubte ihm den Atem, doch er rappelte sich wieder hoch, seine Hände rutschig von Schweiß und Zittern. Wie durch ein Wunder hatte er noch immer die inzwischen völlig zerknitterte Anleitung in seinen Händen. Immerhin flog das Schiff nun geradeaus durch die Luft und Bart konnte einen weiteren Blick in die Anleitung werfen.
„Ruckartige Bewegungen verärgern die Windelementare,“ las Bart sich laut vor, als das Schiff plötzlich langsam zu rotieren begann. „Windelementare?! Meine Güte!“ rief er, als das Schiff plötzlich einen scharfen Sturzflug mit kleinen Springbockeinheiten einleitete. Er klammerte sich ängstlich an den Mast, während die Runen in immer grelleren Farben blinkten. Der Wind zerrte an seiner Kleidung, und das Schiff schien einen eigenen Willen zu entwickeln. Irgendwo hörte er ein unsichtbares Kichern, das ihn unangenehm an eine Kindheitsbegegnung mit einem frechen Kobold erinnerte.
Bart sah dem Boden entgegen, der viel zu schnell näher kam und schrie: „Wieso habe ich das Gefühl, dass das schlecht endet?“ Sein Magen drehte sich, als wäre er auf einer stürmischen Achterbahn.
„Na schön, na schön! Du hast das im Griff! Alles wird gut!“ Bart riss die Gebrauchsanweisung auf und blätterte hektisch weiter. „Rückkehrrunen... Rückkehrrunen... wo sind diese verfluchten Rückkehrrunen!?“ Er stolperte zum magischen Bedienfeld, seine Beine zitterten, und drückte auf gut Glück einen leuchtenden Knopf.
Zu seinem Entsetzen schoss der Nebelanker heraus und riss das Schiff abrupt in eine dichte Wolkenbank. Das Schiff schoss nun blindlings durch die Wolken, die immer dichter zu werden schienen. Bart fühlte sich als würde er in Zuckerwatte gewickelt werden. Dann wurde die Zuckerwatte überraschenderweise zu glitzerndem Gelee, das in allen Farben des Regenbogens schimmerte und schließlich schob sich das Schiff durch eine monströse Schüssel Fruchtgummi und Bart wurde von riesigen, leuchtenden Gummibärchen angestarrt. Dann machte das Schiff einen Ruck und er glitt aus den Fruchtgummiwolken heraus.
Doch als das Schiff schließlich über einem Nebelmeer schwebte, in dem mehr Tentakel als Land sichtbar waren, lehnte sich Bart erschöpft zurück, schloss die Augen und murmelte: „Okay, das reicht. Vielleicht sollte ich doch die Hotline anrufen...“
Fantastische Grüße,
deine Schreibmaschine im Dunkeln - Nachts auf Papier